Esther Eisenhardt: Wir sind weder ein Muttishop noch ein Häkelblog

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Esther Eisenhardt: Wir sind weder ein Muttishop noch ein Häkelblog (Bild: Jagna Zuzanna Birkhof)

Esther Eisenhardt kennt die deutsche Start-up-Welt wie ihre eigene Westentasche. Mehr als elf Jahre arbeitete sie bei Unternehmen wie Ebay, Brands4friends und Rebate Networks. Viele Jahre nach der Geburt ihrer beiden Kinder erkannte sie die großen Herausforderungen, vor denen unternehmerische Mütter stehen. 2014 gründete sie die Onlineplattform „Mompreneurs.de“, auf der sie regelmäßig selbständige Mütter und ihre Projekte vorstellt und ihnen ein umfassendes Netzwerk zur Verfügung stellt. Im Interview spricht sie über die Versäumnisse der deutschen Politik, veraltete Rollenbilder, das Vorbild USA und Erfolgsgeschichten von Müttern, die inspirieren und das Unmögliche möglich machen.

Wie bewerten Sie die Rolle der Politik in Deutschland? Gibt es hier ein Verständnis bzw. eine Unterstützung für selbstständige Mütter?

Eine schwierige Frage. Wir sollten zuerst über die Rolle der Gesellschaft sprechen. Da wird die Mutter immer noch in einer sehr traditionellen Rolle gesehen. Sobald eine Frau Kinder hat, dann ist sie diejenige, die in der Regel zurücktritt, während sich der Mann um die finanziellen Aspekte kümmert. Immer mehr junge Frauen wehren sich gegen dieses Rollenverständnis und gehen ihren eigenen Weg. Das bringt die notwendige Veränderung. Die Politik bemüht sich mittlerweile dieses Bild aufzubrechen. Das Elterngeld Plus ist eine positive Entwicklung, aber auch hier gibt es nicht wirklich eine für selbstständige Mütter zugeschnittene Lösung.

Für mich ist es wichtig, Erfolgsdenken neu zu definieren. Auch hier gibt es ein traditionelles Verständnis, dass aus meiner Sicht vorwiegend männlich geprägt ist, wonach erfolgreiches Unternehmertum zumeist mit dem „großen Wurf“ assoziiert wird. Das schreckt viele Frauen ab. Viele Frauen gründen, weil sie finanziell unabhängig sein wollen, flexibel arbeiten und oder sich selbst verwirklichen wollen. Die Technik und die Informationsgesellschaft spielen gerade Frauen mit Kindern in die Hände. Heute ist es viel einfacher, mit wenig Geld und wenig Risiko ein Business zu starten. Das reicht völlig aus, um zu erkennen, ob ein Bedarf für die eigene Idee am Markt besteht oder nicht.

Wo und wie genau sind Sie über den Begriff MomPreneur gestolpert?

Das ist jetzt schon ein paar Jahre her. Ich war damals in einer Situation, in der ich nach mehr als zehn Jahren genug vom Angestelltenverhältnis hatte. Ideen waren schon immer da und ich habe einfach begonnen viel zu lesen und über den Teich nach Amerika zu schauen. Mir war klar, dass ich etwas für Mütter machen wollte. Aber hierbei sollte es (mal nicht) um die Familie und oder die Kinder gehen, sondern eher um die Arbeitssituation von Müttern und wie ich diese verbessern kann. Ich bin in den USA über den Begriff „MomPreneur“ gestolpert. Mir gefiel dieser Begriff so sehr, dass ich mich mit der Idee der selbstständigen Mutter genauer auseinandersetzte. Und dann begann ich auch schon mit den ersten Netzwerktreffen, die rasch zu einem Erfolg wurden.

Gibt es Unterschiede zwischen den USA und Europa?

In Amerika ist der Begriff „MomPreneur“ viel etablierter und es ist selbstverständlicher, dass Mütter unternehmerisch tätig sind. Digitales Business ist zudem weiter entwickelt als in Deutschland. Aber die Situation verbessert sich und viele Frauen sind nicht mehr bereit auf ihre Karriere zu verzichten. Da gibt es viele, die sagen, dass sie jetzt lange genug ihrem Mann den Rücken freigehalten haben. Viele Mütter sind sehr qualifiziert und erfahren. Aber irgendwann ist leider der Zug abgefahren und deshalb wagen inzwischen mehr Mütter den Schritt in die Selbstständigkeit.

Ist „The Founding Mums“ ein Vorbild für Sie?

Natürlich ist das ein großartiges Projekt, aber ich möchte meinen eigenen Weg gehen.. Dieses Netzwerk gibt es ja bereits international. Ich möchte mich eher auf den deutschsprachigen Raum konzentrieren, weil es aus meiner Sicht hier noch viel zu wenig gibt. Die amerikanische Version baut sehr stark auf Networking-Treffen und Konferenzen auf. Ich möchte Frauen nicht 1:1 beraten, sondern möglichst viele Mütter erreichen. Wie etwa durch Webinare, Google Hangouts und meine geschlossene Facebook-Gruppe. Gerade letztere ist eine unglaubliche Ressource, die sehr viel genutzt wird. Es ist aber allen Mitgliedern klar, dass es darum geht, sich gegenseitig zu unterstützen und nicht einfach nur Werbung für das eigene Projekt zu machen. Für die Mütter sind das optimale Tools, um sich zu informieren und sich inspirieren zu lassen. Abends ist vor allem die Facebook-Gruppe total aktiv, weil die Kinder schlafen. Perspektivisch habe ich viele Ideen für MomPreneurs, die ich jetzt Schritt für Schritt angehe und teste.

Esther Eisenhardt: Wir sind weder ein Muttishop noch ein Häkelblog (Bild: Jagna Zuzanna Birkhof)
Bild: Jagna Zuzanna Birkhof

Wie sieht es mit Venture Capital aus? Denken Sie bereits an eine Investorin bzw. einen Investor?

Nein, eigentlich nicht. Das möchte ich derzeit nicht. Perspektivisch denke ich eher über Modelle wie Crowdfunding nach, weil ich eine große und aktive Community habe. Aber auch die Meetups sind eine gute Einnahmequelle. Bei MomPreneurs geht es mir darum ein organisches Business aufzubauen und nicht in kürzester Zeit viel Geld rauszuholen und das Business dann zu verkaufen. Und das ist eines der entscheidenden Frage bei Venture Capital. Ich brauche nicht so viel Geld. Lieber suche ich mir Sponsoren für die Meetups oder die Webinare. Wenn du mir etwas schenken kannst, dann schenke mir Zeit.

Gibt es eine Erfolgsgeschichte einer Mutter, die Sie besonders berührt?

Ja und zwar die Geschichte von Mareice Kaiser. Ihr Blog „Kaiserinnenreich“ ist mir sehr nahegegangen. Dort erzählt sie über ihre Erlebnisse als Mutter eines behinderten Kindes und wie Inklusion in der Familie gelingen kann. Ihr erstes Kind war ein Wunschkind, das Mädchen kam dann mit einem seltenen Chromosomenfehler zur Welt. Ihr ganzes Leben hat sich von einem auf den anderen Tagen schlagartig geändert. Sie mussten jedes Mal einen Rucksack mit einem Sauerstoffgerät mitschleppen. Mareice ist eine Kämpferin, die anderen Mut macht. Und das finde ich unglaublich inspirierend.

Bekommen Sie Feedback von selbstständigen Vätern?

Es gibt nur sehr wenige, die sich bei mir gemeldet haben oder gar gefragt haben, ob sie ins Netzwerk dürfen. Ich bin keine Extremfeministin, aber die Stimmung ist einfach eine andere, wenn sich Frauen untereinander alleine austauschen können. Sie sind mir dafür sehr dankbar und fühlen sich sicherer. Es geht oft auch einfach darum, Gleichgesinnte zu treffen, die wissen wie es ist und das eben nicht so einfach ist. Wenn etwa der eigene Mann keine wirkliche Unterstützung ist und das Business für ein Hobby hält.

Ich finde es toll, wenn sich ein Dadpreneur meldet und dem sage ich, dass sie eine eigene Initiative starten sollen. Ich sehe die Mehrbelastung immer noch bei den Frauen. Und ihnen will ich so gut wie möglich zur Seite stehen. Traurig ist einfach, dass es diesen Begriff des selbstständigen Vaters eigentlich gar nicht gibt. Viele Männer setzen ihre Karriere auch als Vater einfach fort, ohne eine Einschränkung zu erfahren. Und das regt mich immer wieder auf.

In Ihren Porträts fragen Sie nach den besten Tipps & Tricks für unternehmerische Mütter. Was sind Ihre besten Empfehlungen?

Das Wichtigste ist eine Vision zu haben, also sich klar zu machen, was man wirklich möchte und sich dann darauf zu konzentrieren. Dazu gehört eine gewisse Vereinfachung der Idee, um sich dem eigentlichen Ziel nähern zu können. Es ist ganz wichtig in sehr wenig Zeit viel zu schaffen. Also eine klare Priorisierung und Unterscheidung von Dringlichkeit und Wichtigkeit ist nötig. Ich achte sehr darauf, was ich wann mache. Es gibt bei mir ganz klare Fokuszeiten, in denen ich zwei Stunden am Stück an ganz bestimmten Themen arbeite. Da lasse ich mich weder von Anrufen noch von sozialen Medien ablenken. Zudem achte ich sehr auf meine Ernährung, ausreichend Bewegung und das Geheimrezept Schlaf.

Gibt es eine unternehmerische Kompetenz, die besonders Mütter einbringen können?

Als Mutter bist du gezwungen, multitaskingfähig zu sein. Wenn man ein Kind auf die Welt bringt, ist alles neu und man muss Dinge einfach mal machen. Und das ist eine wunderbare Voraussetzung für das Leben als Selbstständige. Zum anderen müssen Mütter sehr schnelle Entscheidungen treffen und das hilft oftmals viel fokussierter zu arbeiten und in gleicher Zeit viel mehr zu erreichen.

Was ist die erste Website, die eine angehende selbstständige Mutter lesen sollte?

Mompreneurs.de, ganz einfach. Das ist ja auch mein Ziel.

Abschließend, bei wem würden Sie gerne einmal nachhaken?

Ich mag kontroverse Persönlichkeiten wie Steve Jobs. Aber letztlich finde ich es viel spannender mit Menschen wie Mareice zu sprechen. Also mit Menschen, die einen inspirieren und zu Tränen rühren. Einfach, weil sie so viel geschafft haben und sich nicht unterkriegen lassen.

Vielen Dank für das Gespräch!